Cairngorms Tag 4

Tag 4 – Fr. 17. Mai 2019

64km – 995hm

Das feudale Frühstück besteht aus zwei Riegeln und nem Schluck Wasser. Muss reichen bis Glenmore, sind ja nur 38 km. Der Trail wird ab jetzt besser fahrbar und nach drei km wird er zum Track.

Im Gegensatz zu den North-West-Highlands sind die Cairngorms geradezu überlaufen, denn mir begegnen eine ganze Menge Wanderer. Nachdem ich den Fluß gleich zweimal hintereinander gequert habe (eigentlich unnötig, aber mein GPS hat mir wieder einen gespielt) wartet am anderen Ufer eine ältere Dame mit Blumen im Haar, die mich scherzhaft (aber bei den Briten weiß man das ja nie so genau) fragt, ob ich Sie auf die gleiche Weise wie mein Rad über den Fluss tragen könne. Die Entscheidung wird mir abgenommen, als die Gruppe merkt, dass man auch auf dieser Seite des Flusses weiter gehen kann. Ja, das wäre wohl auch mein Tipp gewesen, obwohl die Dame enttäuscht scheint, dass ich sie nicht Rob-Roy-like über die Schulter werfe und celtmanhaft durch die reissenden Fluten geleite.

Nun geht es überwiegend fahrbar weiter, unterbrochen nur durch einige kurze Schiebestücke über sehr steilen, schmalen Singletrail. Die Bothy erreiche ich eineinviertel Stunde nach meinem Aufbruch. Für Bothy-Verhältnisse voll die Luxusherberge. Wenn die Wanderer alle da übernachtet haben, war das Ding aber auch gut voll letzte Nacht.

Übrigens, ich bin mittlerweile im Glen Feshie. Genau hier, auf der anderen Seite des Flusses, hab ich vorgestern meinen Minigaig-Abstecher begonnen. Glen Feshie ist wunderschön, Klein-Kanada, nur ohne Grizzlies.

Kurz darauf erreiche ich eine Singletrack-Road, die durch lichte Birkenhaine führt, begegne einer großen Gruppe Mountainbiker ohne Gepäck, wohl Tagesausflügler, fahre durch den schönen Rothiemurchus-Forest, vorbei an Loch Gamhna und Loch an Eilein und erreiche schließlich Loch Morlich und den Wintersportort Glenmore. Von hier sind es nur 10 km auf Teerstrasse nach Aviemore. Glenmore ist der ideale Ausgangspunkt für Touren in die Cairngorms. Das Skigebiet ist nur ein paar km von hier, es gibt einen Campingplatz, ein Hostel, ein nationalpark Visitor Center, einen kleinen Shop mit Cafe/Restaurant und alpenhütten-gestyltem Pub und einen wunderschönen Sandstrand.

In dem Shop-Pub-Imbiss, der „Pine Marten Bar“, gönne ich mir das erste richtige (und sehr leckere) Essen seit gestern morgen, lade währenddessen meine Devices und natürlich muss das lokale Bier probiert werden, Cairngorm Black Gold. Und da ich zwei Tage lang kein Tagesabschlussbier hatte, nehme ich gleich zwei. Draußen in der Sonne lege ich mich nur ganz kurz auf eine Bank und als ich die Augen wieder aufmache ist es seltsamerweise eine Stunde später. Schon viertel nach zwei, na, jetzt nichts wie los.

Auf gut ausgebautem Wanderweg geht es an einem saphirgrünen Bergsee vorbei bis zur Weggabelung der großen Entscheidung.

Ich bin einen halben Tag hinter meinem Zeitplan. Soll ich trotzdem den Inner-Loop fahren und zurück nach Glenmore über den Lairig Ghru? Letzterer ist bikemäßig Terra incognita, zumindest von Süden her. Nach dem Pass folgt dann eine beliebte Enduro-Abfahrt nach Glenmore. Die Runde wäre 40 km, also kein großes Ding, aber zumindest vom Inner-Loop habe ich gelesen, dass hike&bike zu erwarten ist. Oder soll ich den inner aussparen und direkt den gemäßigteren outer-Loop angehen? Was soll’s, ich probier den inner. Und so wild sieht der Anstieg nach Süden gar nicht aus

Tja, von Ferne sieht man ja auch nicht die ganzen waterbars und auch nicht die Stufen. In dem am Vortag geposteten Video fährt Liam Glen den Trail Singlespeed hoch, aber mit dem will ich mich nicht ansatzweise vergleichen und daher hab ich kein Problem zu schieben (und ausserdem keine Wahl). Ich begegne ner Menge Wanderer, manche staunend, manche bewundernd (meine liebsten), einige kopfschüttelnd. Einer davon murmelt „you’re mad, completely mad“. Wieso das denn? OK, hoch muss ich schieben, aber das ist ja wohl bald vorbei. Ah nee, geht doch noch höher. Und dann noch ein Stück. Endlich oben auf der Hochfläche rollt es. Zumindest hin und wieder, denn auch hier hat man an waterbars nicht gespart.

Dann geht’s runter und etwa die Hälfte der Abfahrt kann ich über waterbars springen oder daran vorbeifahren. Aber auch hier muss ich öfters absteigen. Und dann geht es schon wieder hoch. Diesmal ohne waterbars, dafür steil und ruppig.

Den Wanderer vorne auf dem Bild hole ich auf dem Pass ein. Ich erkenne ihn aus der Pine Marten Bar wieder. Echt, so lange hab ich gepennt, dass er so einen Vorsprung hatte? Wir plaudern kurz, dann stürze ich mich in die Abfahrt, welche ruppig, aber erfreulicherweise größtenteils fahrbar ist (sonst würde er mich am Ende noch einholen).

Nun geht es die Talsohle entlang, aber der Trail ist immer noch arg verblockt, tricky, teilweise versumpft und so bleibt mir das gewohnte Auf-Absteigen erhalten.

Nach weiteren 3 km erreiche ich die Fords of River Avon wo einige Wanderer campieren. Sie nehmen an dem Coast-to-Coast-Race teil, dass jedes Jahr stattfindet und von dem mir schon 2012 die Wanderer am Corrieyairack erzählt haben. Nach dem üblichen „Where are you from“ macht der Ältere große Augen. Saarland, ja kennt er, denn er war mehrere Jahre in Ramstein stationiert (also offenbar Amerikaner) und gerade jetzt, wo er daran denkt, bekäme er große Lust auf ein „Jägersnitzle“.

Für mich geht’s weiter, ich muss zweimal den Avon queren und dann ändert sich an der Wegbeschaffenheit….nichts. Aufsteigen, absteigen, volle Konzentration bei den fahrbaren Stücken, kein Ende in Sicht. Bald geht es auch noch hoch, ich versuche das Bike auf den Schultern zu tragen, lasse das aber bald bleiben und wuchte stattdessen.

Endlich stehe ich auf der Wasserscheide, dem „Lairig an Laoigh“, und blicke hinunter ins Glen Derry. Sieht auf dem Foto nicht wild aus, aber die folgende Abfahrt ist steil, mit lockerem, groben Geröll und verblockten Stellen und könnte genauso gut in den Alpen sein, Fimberpass oder Pfunderer Joch oder so. Ich hab die Schnauze voll vom Schieben, pfeif auf die Solofahrt-Sicherheits-Vorsätze und klopp das Ding fast unbeschadet komplett runter. Ist ohne Federgabel zwar heftig und geht voll auf die Handgelenke, aber unten gibt’s dafür einen ordentlichen Celtman-Jubelschrei.

Bis zum Abzweig zur Hutchinson-Memorial-Hut bleibt der Weg noch wie gewohnt, dann aber wird er endlich durchgängig fahrbar. 16 km waren es von der Weggabelung der Entscheidung bis hier. 4 Stunden habe ich gebraucht. Die Landschaft ist grandios, aber wer das angehen will, sollte das am besten ohne Gepäck machen. Ich hatte den Glen Derry / Lairig Ghru – Loop ursprünglich als gepäcklose Tagestour ab Glenmore geplant. Das halte ich immer noch für hart, aber möglich. Vielleicht ein anderes Mal.

An der Derry Lodge campen eine Menge Wanderer, das ist aber auch eine verdammt schöne Stelle. Soll ich weiter bis Braemar? Comfort oder Wilderness? OK, die Frage ist rhetorisch. Kaum habe ich mein Zelt aufgebaut, beginnt es zu regnen. Nie schmeckten Whisky und Hobnobs besser.

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