Tag 8 – Fr. 16. Juni 2017
Ullapool – Shenavall
34km – 960hm – 6h
Wetter: der Tag beginnt trocken, aber am Nachmittag wird es unbeständiger mit immer mal wieder Nieselregen. Schottisch halt.
Wie 2012 habe ich auf dem Camping des Broomfield Holiday Park übernachtet. Zum Frühstück gehe ich wieder ins Seaforth und hier bekomme ich endlich und zum ersten Mal auf dieser Tour ein full scottish breakfast. Der Tag kann kommen.
Gegenüber des Seaforth ist ein kleiner Lebensmittelladen. Vernünftige Vollwertriegel finde ich da nicht, stattdessen statte ich mich nur mit einigen Schokoriegeln und Keksen aus. Ein Fehler, wie sich noch herausstellen wird. Man sollte stattdessen besser in den Ort rein zum Tesco-Supermarkt und sich dort mit passender und ausreichender Verpflegung für 2 Tage eindecken, schließlich geht es heute in The Great Wilderness. Was hat mich nur geritten, so planlos zu sein?
Bis zum Ende von Loch Broom fahre ich die A835 und von dort aus sehe ich auf der gegenüberliegenden Seite die erste Herausforderung für heute.
Über diese Hügel will ich drüber. Das ist die Offroad-Abkürzung zum Einstieg ins Fisherfield, die ich in meiner 2012-Tour erwähnt habe. Der HTR führt entlang des Wäldchens links und dann schnurstracks die Bergflanke hoch. Von Berichten weiß ich, dass das verdammt steil wird. Es gäbe eine Alternative, die ich mir auf der Karte ausgekuckt habe, die verläuft in der rechten Bildhälfte nach oben, aber vermutlich nicht weniger steil. Hm, nein, ich bleibe auf dem HTR
Unten angekommen prüfe ich die Bremsbeläge. Beim Tourstart waren sie neu und jetzt, nach 500km sind sie vorne komplett runter und auch hinten ist nicht mehr viel drauf. Ich ersetze erst mal nur die vorne, dann fahre ich ein kurzes Stück die A832 bis zum Aufstieg ins Fisherfield, wo ich 2012 runterkam.
Auf geht’s in The Great Wilderness.
Auf dem Weg zur Shenavall Bothy wird der Track zum Trail, mit zahlreichen tiefen schlammigen Senken, die ich beherzt durchfahre, denn Celtman kann so was nicht mehr aufhalten……Woah! Mitten in einer großen Pfütze sinkt das Vorderrad so weit ein, dass es steckenbleibt. Ich klicke aus, lasse mich nach rechts kippen um mich abzustützen…….und versinke bis zur Hüfte im Matsch.
Ich habe sie gefunden, The Mother of all Bogholes.
Und da stecke ich nun, links noch eingeklickt, rechts 80cm tief im Schlamm. Der Schatz im Silbersee kommt mir in den Sinn, wo der Schurke im Morast versinkt und am Ende nur noch die Hand mit dem Goldpokal rausschaut. Bei mir wäre das dann der linke Fuß und ein Canyon Mountainbike. Sehen Sie Celtman in: The Treasure of Loch na Sealga. Wäre bestimmt ein Riesen Erfolg. Posthum. Aber glücklicherweise geht’s nicht tiefer. Und jetzt? Immerhin habe ich als Widerlager das Rad und nicht nur nen blöden Kelch. Also kann ich mich selbst gut rausziehen. Aber Achtung, da ich auf langen Touren immer mit Krämpfen in den Füssen zu kämpfen habe, habe ich die Ratsche der Schuhe nur relativ locker angezogen. Wenn also jetzt der Schuh steckenbleibt, werde ich viel Spaß haben. Aber es klappt und da stehe ich nun, mit halbseitiger Fango. In das nächste Bächlein, das den Weg kreuzt, lege ich mich erst mal seitlich rein und schon bin ich wieder vorzeigbar. Na ja, das ist auf diesem Trip natürlich relativ.
Die Bothy habe ich 2012 ja links liegen lassen, heute will ich dort wenigstens ne Pause einlegen. Zwei junge Burschen (ich bin 50, da darf man so reden) sitzen davor, die gerade von einer Wandertour gekommen sind. Während ich mir einen Kaffee koche, erfahre ich, dass sie aus England und seit einigen Tagen zu dritt hier einquartiert sind. Der dritte hat noch einen Extra-Munro in Angriff genommen und ist noch unterwegs. Die Bothy ist für eine ganze Horde Wanderer ausgelegt, es ist also noch ne Menge Platz.
Hm, es ist kurz vor 17 Uhr, ich habe gerade mal 34km gefahren, nicht gerade eine Heldentat. Zeitlich könnte ich es vor der Dunkelheit bestimmt noch bis zum Fionn Loch und der Carnmore Bothy schaffen. Aber da müsste ich über den 550m hohen Pass und wenn ich mir anschaue, wie die Wolken gerade durch’s Tal ziehen…..
Nein, ich bin im Holiday-Modus. Ich bleib hier. Und das ist mein Quartier.
Dieses hat im Erdgeschoss einen Raum mit festgestampftem Lehmboden, offenem Kamin, einem uralten Tisch, noch älteren Stühlen und einer Art Küchenzeile aus der späten Bronzezeit. Fließend Wasser gibt es erwartungsgemäß ebensowenig wie Strom oder eine Toilette. Big Wilderness gilt halt nicht nur für die Landschaft. Wasser gibt’s draussen im Bach, Licht drinnen durch mehrere Kerzen, die auf den verschmolzenen Überresten unzähliger Vorfahren stehen. Nebenan ist noch ein kleines Zimmer mit einer Spanplatte auf dem Boden, damit man nicht direkt auf der Erde liegt. Da könne ich mich niederlassen, sagen die Jungs. Sie selbst wohnen upstairs, in der Loft, also auf dem Dachboden im wahrsten Sinne des Wortes.
Nachdem ich ein Nickerchen gemacht habe und es schon dunkel geworden ist, fragen die Jungs, ob ich einen Whisky trinken möchte. OK, ich gebe zu, ich stelle auch manchmal blöde Fragen, also sei diese ihnen verziehen. Mittlerweile sind sie zu dritt, ein kleines Feuer im Kamin (Holz muss man selbst hierhin mitbringen) und die Kerzen erzeugen eine rustikale Athmosphäre. Sie haben verschiedene Whiskys in kleinen PET-Flaschen abgefüllt und die Menge reicht gerade noch für ein paar kleine Schlucke für jeden, genossen aus unseren Blechtassen. Ich kann mich leider nicht revanchieren, denn ich habe nur einen 3 1/2 Unzen Flachmann dabei und der ist schon seit Bealach Horn leer. Sie versuchen redlich, mich in Ihr Gespräch einzubeziehen, aber mein Englisch ist halt nur begrenzt konversationstauglich, obwohl sie, wie schon einige vor ihnen, mir das gut gemeinte, aber nur bedingt befriedigende Lob schenken, mein Englisch sei besser als Ihr Deutsch. Sie kommen aus der Gegend von York, bewundern meine Tour, finden selbst die Highlands zum Radfahren ungeeignet, Wales dagegen fantastisch. Hier setze ich ein Bookmark und Snowdonia rückt in meiner ToDo-Liste ein Stück höher.
Zu später Stunde gesellt sich ein weiterer Wanderer zu uns, ein rauher Bursche, der ein bißchen wie Ringo Starr aussieht, mit riesigem Rucksack und einem Akzent, bei dem ich mich fast endgültig geschlagen geben muss. Ich bekomme halbwegs mit, dass er längere Zeit bei der Royal Navy im Auslandseinsatz war, danach Feuerwehrmann und nun, naja, wandert. Und dass er jenseits des Flusses in einem grossen Schlammloch gelandet ist, aber das kann höchstens die Cousine aller Bogholes gewesen sein, denn die Mutter hab ja ich gefunden und so erzähle ich meine Geschichte inklusive der Silbersee-Variante. Sie lachen verstehend und ich frage mich, ob die Amies oder Briten tatsächlich Karl-May nachverfilmt haben oder sie nur höflich sind, wobei ich kurz an „Bloody-Kraut“-Joker denken muss. Ringo-Rambo („i need the open sky“) möchte lieber draussen in seinem Zelt schlafen und verabschiedet sich und da das bißchen Holz längst runtergebrannt ist und es empfindlich kühl wird, ziehen auch wir Warmduscher uns in unsere edlen Gemächer zurück.
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